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Auch im Erbrecht gilt: Nicht immer ist Blut dicker als Wasser!


Erbrecht der nichtehelichen Lebensgefährten im Verhältnis zum Erbrecht der Kinder


Die Ausgangslage und Fragestellung


Nicht verheiratete Lebenspartner eines Elternteils können nach dem Gesetz in der Regel nicht Erbe werden. Vielmehr sind die gesetzlichen Erben in dem Falle die Kinder des Verstorbenen oder andere Abkömmlinge in der gesetzlichen Erbfolge, falls vorhanden, nicht aber der/die uneheliche Lebenspartner/in.

 

Diese gesetzliche Erbfolge kann jedoch durch ein Testament verändert werden. Somit ist es dem Laien in der Regel auch bekannt, dass ein Testament gegenüber der gesetzlichen Erbfolge dazu führen kann, dass nicht etwa die Kinder des verstorbenen Vaters die Erben werden sondern der/die uneheliche Lebenspartner/in, welche jahrelang mit Vater oder Mutter gelebt hat. Voraussetzung dafür ist, dass der Erblasser der/die Lebenspartner/in im Testament als Alleinerbin benannt hat.

 

Interessant wird die Angelegenheit aber, wenn ein derartiges Testament z.b. von dem Vater verfasst wurde, seine uneheliche Lebenspartnerin jedoch unerwartet vor ihm stirbt und diese ein eigenes Kind hinterlässt.

  • Wer wird Erbe, wenn anschließend der Vater stirbt?
  • Welche rechtlichen Auswirkungen hat in dem Falle das Testament des verstorbenen Vaters auf das Recht seiner gesetzlichen Erben? 

Der Rechtsstreit


Das Amtsgericht Bamberg hatte Ende des letzten Jahres einen entsprechenden Rechtsstreit zu entscheiden, dessen Ausgang den juristischen Laien durchaus zu überraschen vermag.

 

In diesem Falle hatte der Verstorbene zwar keine eigenen Kinder, jedoch eine Nichte, die Tochter der verstorbenen Schwester des Erblassers. Weitere Personen in der gesetzlichen Erbfolge waren nicht vorhanden.

Der kinderlose Verstorbene hatte seit Jahren eine uneheliche Beziehung geführt, bei deren Beginn er noch eine eigene Wohnung hatte und sich 3-4 Tage pro Woche bei seiner Lebensgefährtin aufhielt. Im Jahre 2006 erlitt der Erblasser einen Schlaganfall. Ab diesem Zeitpunkt wohnte er ausschließlich in der Wohnung seiner Lebensgefährtin, ohne Miete zu zahlen. Seit dem Schlaganfall hat seine Lebensgefährtin ihn gepflegt.

Ende des Jahres 2012 verfasste er ein Testament und setzte seine Lebensgefährtin als Alleinerbin ein. Sein Vermögen bestand im Wesentlichen aus einem Geldbestand von ca. 70.000 €. Am Ende des Jahres 2020 verstarb die Lebensgefährtin überraschend nach einer Behandlung im Krankenhaus. Die Tochter der Lebensgefährtin erhielt von dem Erblasser eine umfassende Vorsorgevollmacht. Am Anfang des Jahres 2021 verstarb auch der Erblasser überraschend nach einer stationären Behandlung im Krankenhaus in Anwesenheit der Tochter seiner Lebensgefährtin mit ihren Kindern.

 

Die Tochter der verstorbenen Schwester des Erblassers, also seine Nichte, ist die nächste Angehörige des Erblassers. Sie beantragte beim Nachlassgericht Bamberg die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin. Sie begründete dies mit der Ansicht, dass die gesetzliche Erbfolge anzuwenden sei und dass das Testament des Erblassers nicht mehr zur Anwendung komme, weil seine Lebensgefährtin vor ihm gestorben ist.

Die Tochter der verstorbenen Lebensgefährtin hat vor dem Nachlassgericht ebenfalls das Erbe für sich beansprucht. Sie begründete dies damit, es sei der Wunsch des Erblassers gewesen, dass sein Vermögen seiner Lebensgefährtin und ggf. auch ihren Nachkommen zukommen kommen sollte.

 

Anfangs hat das Nachlassgericht Bamberg ohne Durchführung einer Beweisaufnahme zugunsten der Nichte des Erblassers entschieden. Das Amtsgericht ging davon aus, dass der Grund für die Erbeinsetzung der Lebensgefährtin im Testament sich ausschließlich daraus ergeben habe, dass die Lebensgefährtin allein den Erblasser nach seinem Schlaganfall in ihrer Wohnung aufgenommen und gepflegt hat. Anschließend sei das Testament gegenstandslos geworden, da die als Alleinerbin bedachte Lebensgefährtin vor dem Erblasser gestorben ist.

 


Die Fortsetzung des Verfahrens nach Einspruch


Gegen diese Entscheidung hat die Tochter der Lebensgefährtin Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat das Verfahren fortgesetzt, die Beteiligten persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung weiterer Zeugen. Schließlich hat das Amtsgericht entschieden, dass die Beschwerde der Tochter der ehemaligen Lebensgefährtin begründet ist.

 

Nach Ansicht des Gerichtes hat die Beweisaufnahme ergeben, dass dem Erblasser die Tochter der als Alleinerbin bedachten Lebensgefährtin ebenso nahe stand wie die vor verstorbene Lebensgefährtin selbst. Somit tritt nach Ansicht des Gerichtes die Tochter ein als Ersatzerbin der verstorbenen Lebensgefährtin gemäß § 2096 BGB.

 

Dadurch sei die Nichte des Verstorbenen von der gesetzlichen Erbfolge mit folgender Begründung auszuschließen: Es sei aufgrund einer ergänzenden Auslegung des Testamentes des Erblassers der eigentliche Wille des Erblassers zu ergründen. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Erblasser zu der Tochter seiner Lebensgefährtin ein ebenso vertrautes Verhältnis gepflegt habe. Auch sie habe ihn jahrelang versorgt und mit verpflegt mit der Folge, dass sie als Ersatzerbin an die Stelle ihrer vorverstorbenen Mutter tritt.

 

Der Erblasser habe in seinem Testament klargestellt, dass nicht etwa seine gesetzlichen Erben begünstigt werden sollen sondern die Person(en), die ihn nach seinem Schlaganfall jahrelang gepflegt haben. Dies war seine Lebensgefährtin und deren Tochter. Der Erblasser wollte dem Sprichwort „Blut ist dicker als Wasser“ offensichtlich nicht folgen. 


Das Fazit


Nach der Ansicht des Nachlassgerichtes Bamberg ist die gesetzliche Erbfolge aus oben genannten Gründen ausgeschlossen, sodass ein Erbschein zugunsten der Nichte des Erblassers nicht auszustellen ist. Vielmehr wird nach Inhalt des Testamentes die Tochter Ersatzerbin seiner Lebensgefährtin und erhält somit den Erbschein.