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Ist ein Testament auf einem Mini-Zettel wirksam?


Zur Wirksamkeit eines Testamentes im Hinblick auf die Formerfordernis


Nicht jedem bleibt viel Zeit für das Verfassen eines Testamentes.


Plötzlicher Unfall - spontaner Ausbruch einer bisher nicht bekannten Krankheit - ab in die Klinik ... und die Operation steht bevor. Dann kommt durchaus schnell noch der Gedanke auf, ob man zu Lebzeiten die wichtigsten Dinge geregelt hat.

Oder möglicherweise hat man auch bereits ein Testament errichtet, möchte dies aber aus konkreten Gründen schnell ändern. Wenn einem dann auch noch die gewohnten Schreibutensilien nicht zur Verfügung stehen, kann sich die Frage ergeben, in welcher Form ein Testament aufgeschrieben werden muss, damit es gültig ist. 

 

Das Oberlandesgericht München hatte einen Fall zu entscheiden, der die Älteren unter uns etwas an die wunderbare Fernsehserie "Königlich Bayerisches Amtsgericht" erinnert, aber trotz humorvoller Einzelheiten durchaus einen ernsten und juristisch interessanten Hintergrund bietet:

 

Einem Krankenhauspatienten war offenbar bewusst, dass ein neues und letztes Testament alle vorab aufgesetzten Testamente zur Ungültigkeit verdammtEr verfasste im Krankenhaus ein Testament am 7. Mai 2015, geschrieben auf einem Notizzettel der Gemeinde Pfaffenhofen. Der Zettel war mit 10 cm x 7 cm nicht nur ziemlich klein. Er hatte auch in der Mitte einen Riss von ca. 3 cm Länge, welcher noch eine Rolle spielen sollte. Der Zettel war mit dem aktuellen Datum versehen und unterzeichnet worden. Der Inhalt lautete unter anderem (Zitat): "Mein Testament lautet ... dass alle Geschwister gerecht verteilt werden, besonders ...  ... und  ... nicht im Altenheim darben muss, ..." (Zitat aus Beschluss des OLG München vom 28. Januar 2020).

 

Der Verstorbene hatte bereits vorher einige Testamente errichtet und in dem vorletzten Testament nur eine seiner Schwestern als Alleinerbin eingesetzt. Das aktuelle Testament war der Anlass für diese Dame (und weitere Beteiligte), die Angelegenheit vor Gericht klären zu lassen, nachdem das Nachlassgericht ihrem Antrag auf Ausstellung eines Erbscheines als Alleinerbin nicht folgte.

 

Die besagte Schwester ist der Ansicht, dass das aktuelle Testament nicht gültig sei, wohl aber das vorherige Testament zu ihren Gunsten. Sie bezweifelt zum einen, dass es sich um ein Testament des Erblassers gehandelt habe. Er habe den Text nicht selbst verfasst und den Zettel nicht eigenhändig unterschrieben. Außerdem sei davon auszugehen, dass der Erblasser auch nicht die Absicht gehabt habe, eine weiteres neues Testament zu errichten. Im Übrigen habe er das Testament vom 7.5.2015 nach Errichtung noch vernichten wollen.

 


Was sagt das Oberlandesgericht München?


Ein durch das Nachlassgericht beauftragter Schriftsachverständigengutachter bestätigte jedoch das eigenhändige Verfassen und die eigenhändige Unterschrift des Erblassers. Daraufhin wertete das Nachlassgericht den Inhalt des Testament des Mannes derart, dass alle seine Geschwister zu gleichen Teilen Erben werden sollten. Dagegen legte die benannte Schwester des Erblassers Beschwerde ein.

 

Das zuständige Oberlandesgericht München folgte zum einen dem Gutachten des Schriftsachverständigen. Danach ist davon auszugehen, dass der Erblasser sein Testament selbst geschrieben und eigenhändig unterzeichnet hat. Obwohl die Beschwerdeführerin behauptete, der Erblasser habe in der Vergangenheit gegenüber Dritten immer erklärt, dass sie als Alleinerbin eingesetzt werden solle, so spricht dies nicht dafür, dass das letzte Testament nicht von ihm verfasst worden sein soll.

 

Die Beschwerdeführerin hat des weiteren vorgetragen, dass ein Testierwille des Erblassers nicht vorgelegen habe und es sich bei dem kleinen Zettel nur um einen weiteren Entwurf eines Testamentes gehandelt habe. Dem ist das Oberlandesgericht nicht gefolgt. Es hat ausgeführt, dass von einem formgerecht abgefassten vollständigen Testament immer auszugehen ist, wenn keine weiteren Einzelheiten dagegen sprechen.

 

Auch die Tatsache, dass der Erblasser seinen letzten Willen nur auf einem kleinen 10 × 7 cm großen Zettel fest hielt, spricht nicht ohne weiteres gegen seinen Willen, ein aktuelles Testament aufzusetzen. Das Gericht hat die Umstände insoweit gewürdigt, dass der Erblasser sich im Krankenhaus befand und er seine üblichen Schreibutensilien nicht nutzen konnte. Möglicherweise standen ihm nur die kleinen Zettel der Gemeinde Pfaffenhofen zur Verfügung.

 

Außerdem hat das Gericht berücksichtigt, dass der Erblasser auch in seinen vorher abgefassten Testamenten außergewöhnliche Papiere nutzte, so zum Beispiel in einem Testament aus dem Jahr 2004 einen Werbeblock des "Pfaffenhofener Kuriers" im DIN A5 Format. 

Ein weiteres Testament aus dem Jahr 2014 , veredelt mit einem Kaffeefleck, schrieb er auf die Rückseite eines Arztbriefes im Format DIN A4, wobei die obere Hälfte abgerissen und das Dokument zum Format DIN A5 verkleinert wurde.

 

Das Oberlandesgericht kam auch durch weitere Einzelheiten zu dem Schluss, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Testament tatsächlich um den letzten Willen des Erblassers handelte. So hat er zum einen als Überschrift die Worte "Mein Testament" gewählt. Außerdem lagen dem Gericht weitere Notizzettel der Gemeinde Pfaffenhofen gleicher Art vor, die der Erblasser für handschriftliche Notizen nutzte. Daraus ergab sich für das Gericht die Schlussfolgerung, dass dem Erblasser zum gegebenen Zeitpunkt keine anderen Papiere oder Schreibunterlagen vorlagen, die er zum Verfassen seinesletzten Willens hätte nutzen können.

 

Die Beschwerdeführerin hat darüber hinaus ausgeführt, der Erblasser habe die Absicht gehabt, das letzte Testament zu zerreißen, sodass es letztendlich nicht gültig sei. Davon war das Oberlandesgericht jedoch nicht überzeugt, obwohl der kleine Zettel an der Oberkante einen Riss von ca. 3 cm Länge aufwies. Das Gericht führte aus, dass eine derartige Absicht des Erblassers ein aktives Tun vorausgesetzt hätte. Er hätte beispielsweise den Zettel durch vollständiges Zerreißen oder Zerkleinern vernichten können. Dafür sind jedoch keine Anhaltspunkte vorhanden, auch ergeben sich diese nicht aus dem vorhandenen Riss in dem Papier. Vielmehr sei nach Ansicht des Oberlandesgerichtes das Papier derart dünn, dass es auch versehentlich durch Benutzung hätte eingerissen worden sein können. Die Fakten sprechen jedoch nicht für eine beabsichtigte Vernichtung des Dokumentes.

 

Aus oben ausgeführten Gründen ging das Oberlandesgericht München somit davon aus, dass der Erblasser sein letztes gültiges Testament am 7. Mai 2015 verfasst hat. Die Beschwerdeführerin, nur eine von mehreren Geschwistern des Verstorbenen, hat somit keinen Anspruch auf Ausstellung eines Erbscheines für sie als Alleinerbin. Die Geschwister erben zu gleichen Teilen, wie von dem Erblasser letztlich vor seinem Tode gewünscht.

 

Dieser Fall ist ein schönes Beispiel für eine gute Urteilsbegründung, welche den Sachverhalt als auch dessen ausführliche Würdigung selbst dem juristischen Laien nahebringt.

 

Die Einzelheiten des Falles bieten durchaus  Ansätze für eine andere Bewertung, wenn das Oberlandesgericht die angebotenen als auch die nicht erbrachten Beweise nicht umfassend gewürdigt und im Urteil bewertet hätte.

 

So ist es doch ganz beruhigend, dass ein letzter Wille weder in Schönschrift noch auf edlen Unterlagen festgehalten werden muss, um als gültiges Testament gewertet zu werden. Wichtig ist vor allem: Überschrift ("Testament ... Mein letzter Wille ... o.ä.) , Angabe des aktuellen Datums, eigenhändig verfasster lesbarer (!) Text und die eigenhändige Unterschrift. 

 

Außerdem sollte vorgesorgt werden, dass das Papier auch gefunden wird und in die richtigen Hände gerät. Gerät es in die falschen Hände, so ist es (je nach Inhalt) gerne auch schnell wieder verschwunden ...

 

Quelle: Bayerische Staatskanzlei zu OLG München, Beschluss vom 28. Januar 2020, AZ: 31 Wx 229/19, 31 Wx 230 /19, 31 Wx 231/19