Erbverzicht mit 18 Jahren gegen Sportwagen

Hier finden Sie einen Hinweis auf eine interessante Entscheidung zum Erbrecht:

Kindererziehung und Nachlassregelungen sind in der Regel Privatsache. Wenn es allerdings zu bunt wird, haben Gerichte auch andere Ansichten . So auch in einer Angelegenheit, die das Oberlandesgericht Hamm zu entscheiden hatte.

Kläger ist der volljährige Sohn des Beklagten, der mit seiner Klage die Erklärung der Sittenwidrigkeit eines notariellen Vertrages verfolgt, welcher eine außergewöhnliche Regelung enthält.

Der Kläger ist bei seiner Mutter aufgewachsen und zog kurz vor seinem 18. Geburtstag bei seinem Vater, von Beruf Zahnarzt, ein. Der Sohn hatte zu diesem Zeitpunkt seine schulische Laufbahn aufgegeben und eine Ausbildung zum Zahntechniker begonnen.
Augenscheinlich mit dem Motiv, seinem Sohn eine gute Ausbildung zukommen zu lassen, machte er diesem ein Angebot, welches der Kläger aufgrund jugendlichen Leichtsinns abzulehnen nicht in der Lage war.

Vor dem 18. Geburtstag seines Sohnes hatte der Vater sich einen PS starken Sportwagen zugelegt: Wert ca. 100.000 €. Der Kläger hatte zwischenzeitlich auch die Gelegenheit, den PKW einmal zu lenken und war dabei offenbar dem äußerst PS starken Gefährt verfallen. Der Vater nutzte die Gelegenheit und vereinbarte kurz nach dem 18. Geburtstag des Klägers einen Notartermin, bei welchem der Sohn ein aus Sicht des Vaters äußerst zukunftsträchtiges Dokument unterzeichnen sollte. Es handelte sich dabei um einen Erb- und Pflichtteilsverzicht des Sohnes im Falle des Ablebens des Vaters. Als Ausgleich bat der Vater seinem Sohn eine Abfindung an in Form der Übertragung des Sportwagens zu seinem 25. Lebensjahr. Letzteres jedoch unter der Bedingung, dass der Sohn bis zum 25. Lebensjahr seine Ausbildung zum Zahntechnikergesellen und Zahntechnikermeister mit "sehr gut“ abschließt. Mehr hatte der Sohn als Erbe nicht zu erwarten.
Der Kläger unterzeichnete den notariellen Vertrag, stellte etwas später fest, dass er damit einen erheblichen Fehler begangen hatte, beendete prompt die Ausbildung zum Zahntechniker und verklagte seinen Vater, um den unterzeichneten Notarvertrag für nichtig erklären zu lassen.

 

Dem Argument des Klägers, dass der Vertrag sittenwidrig und nichtig sei, ist das Oberlandesgericht Hamm gefolgt. Nach Ansicht des Gerichtes ergibt sich die Sittenwidrigkeit aus der Verkoppelung des Erbverzichtes mit der Abfindung, wobei aufgrund des Inhaltes der Regelung ein erheblicher Nachteil zulasten des Klägers entstanden ist. Einerseits sei ein unbedingter Erbverzicht mit sofortiger Wirkung vereinbart worden und zwar ohne dem Kläger vor dem Notartermin die Möglichkeit zu geben, den Vertrag ausgiebig zu studieren oder prüfen zu lassen.

Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger das Fahrzeug erst im Alter von 25 Jahren erhalten sollte und dieses bis dahin erheblich an Wert verloren haben werde. Der Beklagte dagegen erhalte den Erbverzicht seines Sohnes unentgeltlich, wenn auch nur eine der Bedingungen für die Gegenleistung nicht eintrete. Die Argumentation des Beklagten, er habe seinen Sohn zu einer schnellen und erfolgreichen Ausbildung motivieren wollen, hält das Gericht für eine Schutzbehauptung. Aus den Umständen der Vertragsgestaltung ließe sich nach Ansicht des Gerichtes erkennen, dass der Vater die jugendliche Unerfahrenheit seines Sohnes ausgenutzt hat.  Der Beklagte habe auch bewusst den 18. Geburtstag seines Sohnes für die Regelung abgewartet mit dem Wissen, dass die Mutter des Sohnes dem Geschäft hätte vorher widersprechen können. Im Übrigen habe es sich aus Sicht des Klägers um ein Geburtstagsgeschenk handelt, wobei Geburtstagsgeschenke in der Regel nicht abgelehnt werden können.

All diese Einzelheiten führen zur Sittenwidrigkeit der notariellen Vereinbarung, so das OLG Hamm.

Quelle: Pressemitteilung des 10. Zivilsenates des OLG Hamm vom 8. November 2016 (10 U 36/15)