Wer kennt sie nicht, die Birkenstocksandale. Getragen wird sie ganz unten. Geschafft hat sie es nun auch bis ganz nach oben: zum Bundesgerichtshof (AZ: I ZR 16/24).
Es geht um zwei bekannte Modelle der Birkenstocksandale mit den Bezeichnungen „Madrid“ und „Arizona“, die in den Sommertagen in der Stadt und in der Natur immer wieder zahlreich zu sehen sind. Für die einen ist es DIE perfekte Sandale, was den Tragekomfort betrifft. Für klassische Schuhliebhaber ist sie ein Graus, wenn es um das Design geht.
Umso erstaunlicher ist der Weg der Sandale zum Bundesgerichtshof. Die Klägerin des Verfahrens ist die Birkenstock Gruppe. Die Beklagte ist eine Firma, welche optisch sehr ähnliche Sandalen schlicht unter der Bezeichnung „LEDER SANDALE“ vertreibt.
In dem Verfahren geht es jedoch nicht etwa um DESIGN Rechte, welche als Geschmacksmuster gesichert werden können. Stattdessen sieht sich die Klägerin durch das Handeln der Beklagten in eigenen Urheberrechten verletzt.
Ist die Birkenstock-Sandale ein urheberrechtlich geschützes Werk der angewandten Kunst?
Allein diese Frage dürfte Liebhabern von bekannten italienischen Markenschuhen als verbale Entgleisung empfunden werden.
Die Klägerin ist der Ansicht, bei den Modellen „Madrid“ und „Arizona“ handele sich um urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst, die ausschließlich ihr zustünden. Insbesondere bei der Sohlenform, dem nicht verblendeten Sohlenschnitt und bei der Materialauswahl habe der Erfinder Karl Birkenstock diverse umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten ausgefüllt, die schließlich zu einem Urheberrecht geführt hätten.
Mit der Klage verfolgt die Birkenstock Gruppe die Verpflichtung zulasten der Beklagten, die streitbefangenen Schuhmodelle nicht zu vervielfältigen und/oder im Verkehr anzubieten.
Bundesgerichtshof bestätigt Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Köln
- In der ersten Instanz bewertete das zuständige Landgericht Köln mit Urteil vom 11. Mai 2023 die Rechtslage im Sinne der Birkenstock-Gruppe.
- Die Beklagte legte Berufung beim Oberlandesgericht Köln ein, welches am 26. Januar 2024 die Klage abwies.
- Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 20. Februar 2025 Rechtsansicht des Oberlandesgerichtes Köln bestätigt.
Entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sieht der Bundesgerichtshof folgende Voraussetzungen für die Bewertungen der Sandalen als Werke der angewandten Kunst. Zum einen muss es sich um ein Original handeln in dem Sinne, dass es eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers darstellt.
- „Ein Gegenstand ist ein Original, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringt.“ (BGH s.o.)
Der BGH verweist des Weiteren auf die Rechtsprechung des EuGh:
- „Wurde dagegen die Schaffung eines Gegenstandes durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Gegenstand die für die Einstufung als Werk erforderliche Originalität aufweist.“ (EuGh, GRUR 2019, 1185).
Im Sinne des EuGh fordert der Bundesgerichtshof in der aktuellen Entscheidung für die Definition einer künstlerischen Leistung eine
- „schöpferische , kreative, originelle, die individuelle Persönlichkeit ihres Urhebers widerspiegelnde Leistung auf dem Gebiet der Kunst“.
Es reicht dabei nicht aus, dass eine gestalterische Freiheit generell besteht. Vielmehr fordert der Bundesgerichtshof ausdrücklich die Ausnutzung dieses Freiraums in künstlerischer, nicht nur technisch-funktionaler Weise. Das rein handwerkliche Schaffen führt alleine nicht zu einem Urheberrechtsschutz.
Bei Gebrauchsgegenständen müsse im Gegensatz zu reinen Kunstwerken in den Blick genommen werden, ob der Gebrauchsgegenstand über seine von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet ist, so der BGH.
Eine künstlerische Leistung ist laut Urteil des BGH jedoch nicht zu erkennen.
Im konkreten Fall liegt die Beweislast auf Seiten der Birkenstock Gruppe. Sie hatte das Werk dem Gericht vorzulegen und die konkreten Gestaltungselemente zu benennen, aus denen sich der urheberrechtliche Schutz ergibt. Dies ist ihr in dem Prozess nicht gelungen. Laut Berufungsgericht und BGH kann nicht festgestellt werden, „dass es sich bei den beiden streitbefangenen Sandalenmodellen um Originale im Sinne einer eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers handele“.
So habe Karl Birkenstock sich bei der Aufgabe, „eine aus Sohle und Schaft bestehende Sandale zu entwerfen, an das bereits Vorbekannte gehalten und sei mit den streitbefangenen Sandalenmodellen letztlich im Bereich des handwerklichen Könnens eines Schumachers bzw. Orthopädieschumachers verblieben“. Eine künstlerische Leistung ist laut Urteil des BGH jedoch nicht zu erkennen.
Anmerkung
Die Liebhaber von italienischen Markenschuhen werden sich bestätigt fühlen. Birkenstock-Fans wird es womöglich egal sein.